Woyzeck reloaded

In der Literatur und in der Liebe ist alles möglich. Um die Grenzen des Möglichen auszutesten, haben Schüler*innen der Q1 der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Mülheim ein fiktives Treffen zwischen Woyzeck und Nathan dem Weisen initiiert.

Woyzeck: Ja wohl! Was wollen Sie sagen Nathan? 
Nathan: Was bringt dir deine Stelle? Den Hauptmann rasieren, und für den Doktor zum Opfer unmenschlicher Experimente werden? 
Woyzeck: Mir? Sonst überleb ich nicht. Und meine Marie verliere ich dann komplett. 
Nathan: Wahrlich? Was bringt dir dieses Weib? So schreib ihr sofort den Scheidungsbrief! 
Woyzeck: Was anderes hatte ich aber vor.
Nathan: Was denn? Du machst mir Angst.
Woyzeck: Ich trage so viel Frust in mir, ich kann ihr verzeihn, aber nicht vergeben.
Nathan: Woyzeck! Du willst sie töten.
Woyzeck: Ich brauche einen Plan.
Nathan: Erriet ich’s richtig
Woyzeck: Sie sind der Weise, so helfen Sie mir!
Nathan: Genug, hör auf! Du willst deine Marie jetzt töten, aber was passiert danach? Du wirst dir diese Tat selbst niemals verzeihn.
Woyzeck: Darüber habe ich nicht nachgedacht.
Nathan: Wusst ich’s doch.
(Marie lauscht und hört sich das Gespräch an)
Nathan: Du musst ihr vergeben Woyzeck, sei dir selbst gerecht und trenne dich, lass sie glücklich ohne dich werden.
Woyzeck: Diesen Rat schätze ich! Ich breche gleich auf um diese Spielchen zu beenden. Keiner verdient mein Leid.
(Zuhause angekommen steht das Abendessen bereit, Marie vergiftet Woyzeck und er erstickt quallvoll) 
Woyzeck’s letzten Worte: Ich wollte dir vergeben…

L. G.

N: Stop die Erbsendiät!

W: Aber wieso? Nur dadurch überlebe ich!

N Aber Woyzeck, denk doch ein mal nach. Vielleicht verbleibt deine Existenz, jedoch stirbt deine Moral!

W: Weise Worte. Aber ich habe keine andere Wahl. Dazu kommt, dass meine Marie mich betrogen hat.

N: Das tut mir leid. Jedoch klaut dir die erbsendiät deinen Verstand, sodass du nicht klar denken kannst.

W: zugegeben, habe ich schon wirre Gedanken in meinem Kopf seitdem ich weiß, dass meine Geliebte mich betrogen hat. Und mein Sohn. Mein armer Sohn.

N: Lass deine Gefühle nicht über deine Taten bestimmen. Und tu nichts, was du nicht willst, das dir angetan wird. Ich habe auch eine Tochter, meine Recha. Ich würd alles tun um die Zeit zurückzustellen, um die leibliche Mutter meiner Recha aufzufinden. Denn Woyzeck, die Mutterliebe ist unersetzbar. Dein Sohn sollte diese Mutter bis an die Ewigkeit zu spüren bekommen.

W: Wie schön, dass du meine Situation zu schätzen weißt. Ich habe so ein schlechtes Gefühl, wenn ich an meine Marie denke.

N: Fühlen ist gut Woyzeck, sehr gut sogar! Aber wie gesagt, lass deine Gefühle nicht über deine Handlungen bestimmen.

W: Also Nathan wie soll jetzt vorgehen?

N: Der erste Schritt ist, dass du die Erbsendiät stoppst. Geh und Füll deinen Magen, der auch dein Gehirn füllt! Der zweite Schritt ist ganz einfach: Höre auf dein Herz!

W: Vielen Dank Nathan, diese weisen Worte werde ich mir zu Herzen nehmen!

N: Ach, was ein Wortspiel! Da kommt meine komödiantische Seite wieder zum Vorschein. So Woyzeck, wenn dir Schwierigkeiten wieder fahren sollten, komm zu mir ! Für dich habe ich immer ein offenes Ohr!

W: Vielen Dank Nathan.

C. B.

Nathan: Woyzeck! Was musste ich mir ansehen? Warum entblößt du dich in aller Öffentlichkeit und fängst dann noch an die Wand zu bepissen!?

Woyzeck: Ich tat nichts Unrechtes! Die Würde des Menschen, ja, sie ist schon verloren!

Nathan: Woher kommen diese fatalen Gedanken über die natürliche Existenz des Menschen?

Woyzeck: Sie nahmen mir alles, meinen letzten Cent und selbst meine Frau und Würde!

Nathan: Ich empfinde deinen Schmerz, doch Woyzeck. Ich appelliere an dich. Glaube an die Würde des Menschen! Ich sehe deinen Schmerz!

Woyzeck: Ich bin verloren und allein! Gefangen in meiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.

Nathan: Ich fühle auch! Wir sind beide Menschen mit Gefühlen. Kein Mensch muss müssen!

Woyzeck: Ich muss! Meine Frau verlangt wohlhaben.

Nathan: Woyzeck. Du kannst dich wehren! Du musst deinen Dienst nicht tun.

Woyzeck: Doch, Nathan, wie finde ich die Menschlichkeit? Ich sehe nicht.

Nathan: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschlichkeit in dir ist!

Woyzeck: Wo ist sie zu finden?

Nathan: Öffne dein Herz, und du wirst finden, wonach du suchst.

Woyzeck: Ich werde mündig!

Nathan: Du, Woyzeck, bist ein interessanter Casus, so viel Leid! Doch, du hältst durch, Woyzeck!

M.B.

Nathan: Woyzeck, was sah ich da? Sah ich richtig? Irrte ich mich? 

Woyzeck: Was meinen sie Herr? 

Nathan: Was ich meine, ich meine, dass sie in der Öffentlichkeit, mitten auf der Straße uriniert haben. 

Woyzeck: Mein Herr, was ist Urinieren? 

Nathan: Gepisst, Woyzeck, gepisst. 

Woyzeck: Sagen sie’s doch gleich, mein Herr. 

Nathan: Ich bitte sie, ich bitte sie nennen sie mich nicht „mein Herr“! 

Woyzeck: Sehen sie, dass ist mein Charakter, so’ne Struktur. 

Nathan: Woyzeck, nein, ich bitte sie, das ist kein Charakter! Wer sagt ihnen denn sowas? Wer ihnen sowas sagt, habe unrecht! 

Woyzeck: Nein, Nathan, nein. So ist es! Das weiß jeder. 

Nathan: Ihr Magen gibt Geräusche von sich, haben sie Hunger Woyzeck? Hunger, haben sie Hunger? 

Woyzeck: Nein! Ich Aß meine Portion Erbsen bereits. Sie wissen schon, meine Erbsen. 

Nathan: Ihre Erbsen? Wie ist das zu verstehen? Haben sie eigene, ihre eigenen Erbsen? 

Woyzeck: Reden sie nicht so ein Unsinn. Ich spreche von meinen Erbsen, welche ich jeden Tag zu mir nehm. 

Nathan: Sie essen jeden Tag Erbsen? Gar jeden Tag, Erbsen jeden Tag. 

Woyzeck: Gewiss mein Herr >>Nathan schaut ihn etwas komisch an<<

Ich meine Gewiss, einfach nur gewiss. 

Nathan: So ist’s besser, besser ist’s so! Aber sagen sie mir, sagen sie mir, weshalb sie jeden Tag Erbsen essen? Ist es ihre Lieblingsspeise? 

Woyzeck: oh nein Nathan, das ist es nicht. Mein Herz und Magen Sehnen sich nach anderem Essen. Eine Scheibe Brot, dass wärs jetzt, einfach eine normale Scheibe Brot. 

Nathan: Worauf warten sie, was warten sie Woyzeck? Nehmen sie eine Scheibe Brot, nehmen sie sie zu sich. 

Woyzeck: Wenn das so einfach wäre. 

Nathan: weswegen solle es nicht einfach sein? Essen sie einfach, einfach essen. 

Woyzeck: sie verstehen nicht, wie denn auch. Ein einfacher Mann bin ich. Ein Soldat wie es jeder ist, der so ist wie ich. 

Nathan: Was meinen sie? Was wollen sie mit damit sagen? Sagen sie es mir. 

Woyzeck: Sie wissen doch, ein einfacher Mann bin ich, ich hab nicht zu entscheiden, was ich jetzt esse. 

Nathan: Hier Ich gebe Ihnen eine Scheibe meines Brotes, damit sie diese Speisen können. Machen sie sich keine Gedanken um Geld, nehmen sie und essen sie es. 

Woyzeck: Ich kann nicht, die Verstehens nicht. 

Nathan: Dann erklären sie es mir, ich will sie verstehen, ich will es wissen.

Woyzeck: Ich brauche das Geld, ich muss meine Familie, meine Freundin und Sohn ernähren. Sie verlassen sich auf mich und ich werde sie nicht enttäuschen. 

Nathan: Darf ich fragen, was essen mit Enttäuschung zu tun hat? 

Woyzeck: Die Erbsen, wenn ich diese esse bekomme ich Geld, Geld für meine Familie, verstehen sie’s? 

Nathan: Geld im Gegenzug dafür, dass sie mir noch Erbsen essen? Jeden Tag? 

Woyzeck: Gewiss. Gewiss. 

Nathan: Was eine unmenschliche Sache, wie unmenschlich dies nur ist! 

Woyzeck: Verurteilen sie mich nicht. Verstehen sie gar nicht, gar nicht, das ich meiner Familie helfen will? 

Nathan: Atmen sie durch Woyzeck. Niemand verurteilt hier jemanden! Ich sagte bloß, bloß sagte ich, dass es unmenschlich sei. 

Woyzeck: Also verstehen sie, dass ich dies für meine Familie tu? 

Nathan: Gewiss, verstehen tue ich den Anlass für ihr handeln, aber für das Richtige hakte ich es nicht. Niemand hat das Recht so mit einem Menschen umzugehen. Eine Schande ist das, eine wirkliche Schande. 

Woyzeck: Tun kann man nichts, ich werde weiterhin alles tun um meine Familie zu verpflegen. 

Nathan: hören sie, hören sie, ihrer Familie würde es nichts bringen, rein gar nichts bringen, wenn sie deswegen von ihrer Familie getrennt werden. 

Woyzeck: Getrennt werden? Warum sollte ich von ihnen getrennt werden? 

Nathan: Tod, der Tod wird sie trennen und wenn sie so weitermachen, ja wenn sie weitermachen, dann schon ganz bald! 

Woyzeck: Wie können sie so etwas sagen? Das ist doch unverschämt! 

Nathan: Es ist die Wahrheit! 

Woyzeck: Woher wollen sie das wissen?  Ohne meine Erbsen bin ich nichts, rein gar nichts! 

Nathan: Hören sie Woyzeck, dass stimmt nicht! Das stimmt absolut nicht. Wissen sie, wie ich lebe? 

Woyzeck: Nein woher auch, woher soll ich wissen, wie sie leben? 

Nathan: Wir leben in Toleranz, es gibt bei mir niemanden, der über dem anderen steht. Alle zusammen eine Gemeinschaft, egal welche Religion und Herkunft. 

Woyzeck: In ihrem Traum, sonst nicht. Das ist unmöglich! 

Nathan: Ist es nicht, dass verspreche ich. Ich verspreche, dass es nicht unmöglich ist. Alle nennen mich Nathan der Weise und das, weil jeder meinen Rat schätzt. Also weswegen sollte ich lügen? >> Woyzeck schaut ihn von der Seite an<< Vertrauen sie mir, essen sie etwas normales! Nehmen sie meine Scheibe Brot an. Sein sie vernünftig, vernünftig für ihre Familie. Sie braucht sie und sie brauchen sie auch! Lassen sie sich nicht von anderen treiben sondern entscheiden sie selbst. Entscheiden sie so, wie es für sie und ihre Familie am beste ist. 

Woyzeck: Vielleicht haben sie recht, aber was wenn nich, was ist wenn sie mich anlügen? Was ist, wenn ich dann meine Familie verliere? 

Nathan: Ich weiß, dass sie Sachen sehen, die nicht da sind… hören sie nicht auf, nur Erbsen zu speisen, so wird sich dies niemals verbessern oder aufhören… es würde alles schlimmer werden. 

Woyzeck: Sie haben recht, ich will nicht mehr, dass mich andere steuern. Ivh habe diese Verwirrungen in meinem Kopf satt! Geben sie mir das Brot! >> Woyzeck entreißt Nathan das Brot, aus der Hand und beißt direkt rein, fast wie man es von Tieren kennt, die lange nichts zu essen hatten<< 

Nathan: Lassen sie es sich schmecken Woyzeck, genießen sie es. 

Woyzeck: Nathan so sage mir, wie ich dir danken kann? Danken dafür dass sie mich zu Vernunft gebracht haben? 

Nathan: Danken sie mir, in dem sie den Menschen denen du weiterhin begegnest und sie selbst im Sinne Gottes und zum Wohl der Menschen handelst. 

A.J.

Hinterlasse einen Kommentar